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Sprache ist ein machtvolles Instrument. Erst durch sie können wir Menschen unsere Welt beschreiben und sie uns begreiflich machen. Die Wahl der richtigen Worte kann unsere Einstellung zu den Dingen verändern. Doch manchmal halten wir aus reiner Gewohnheit über die Jahre an Begriffen fest, die nicht mehr in unsere Gegenwart passen, zu kurz greifen oder schlichtweg falsch sind. „Sekundärrohstoff“ ist so ein Begriff. Der Begriff stammt aus einer Zeit, in der man noch an unbegrenztes Wachstum und eine nahezu unendliche Verfügbarkeit von Rohmaterialien geglaubt hat. „Primär“ galt als neu, gut und teuer, „sekundär“ war gebraucht, aber billig. Heute wissen wir es besser. Unsere Rohstoffquellen sind endlich und das Einzige, was unbegrenzt wächst, sind die Weltbevölkerung und unsere Umweltprobleme. Zeit für ein Umdenken und für eine bessere Wortwahl.
„Eine neue Art von Denken ist notwendig, wenn die Menschheit weiterleben will.“
Albert Einstein ( * 1879, † 1955), dt.-amerikan. Physiker, Nobelpreis 1921
„Wer es sich auf dem Teppich seiner Gewohnheiten gemütlich macht, darf nicht erwarten, dass dieser irgendwann zu fliegen beginnt“, schrieb einmal der österreichische Dichter und Philosoph Ernst Ferstl. In diesem Sinne verhindert das Festhalten an veralteten Begriffen die dringend notwendige Neujustierung unserer Wahrnehmung und steht damit jeder Verhaltensänderung im Weg. Wir tun also gut daran, den anachronistischen „Sekundärrohstoff“ sprachlich durch den wesentlich besseren „Recyclingrohstoff“ abzulösen. Keine leichte Aufgabe, einen derart etablierten Begriff aus dem Sprachgebrauch zu verdrängen. Überzeugungsarbeit können nur inhaltliche Argumente liefern, und davon gibt es mehr als genug.
Sprache beschreibt nicht nur die Realität, sie gestaltet sie. Wir brauchen neue Begriffe mit frischen Perspektiven.
Eigentlich braucht es nicht viel Fantasie, um die Überlegenheit von Recyclingrohstoffen gegenüber den sogenannten Primärrohstoffen zu erkennen.
Mit einem gewissen Stolz wird heute zwar verkündet, dass das produzierende Gewerbe hierzulande bereits 14 Prozent des Rohstoffbedarfs aus Recyclingprozessen deckt. Angesichts der Klima- und Umweltproblematik müsste die eigentliche Frage aber lauten: Warum nur so wenig?
Mit ihrer Produktion ist so gut wie kein Landschaftsverbrauch verbunden. Niemand muss erst riesige Löcher in die Landschaft graben, um 500 Tonnen Kupfererz zu fördern, aus denen dann gerade einmal eine Tonne hochreines Kupfer gewonnen wird. Die gleiche Menge findet sich in gut 10 Tonnen Elektroaltgeräten.
Um Kupfer, Aluminium, Eisen und andere Metalle aus Erzen zu gewinnen, benötigt man enorme Energiemengen mit entsprechendem CO2-Ausstoß. Dieselben Rohstoffe in identischer Qualität können mit einem Bruchteil der Energie aus Recyclingprozessen gefördert werden. Für die Kunststoffproduktion werden jährlich bis zu 8 Prozent der verarbeiteten Rohölmenge in Europa verbraucht. Für Recyclingkunststoffe ist das nicht nötig. Zieht man noch die erheblich kürzeren Transportwege in Betracht, zeigt sich die nachhaltige Überlegenheit aller Recyclingrohstoffe in Bezug auf den Klimaschutz.
Wer seine Rohstoffe aus der heimischen Quelle Abfall bezieht, verringert den ökologisch wie sozial oft katastrophalen Raubbau in instabilen Herkunftsländern mit ihrem starken sozialen Gefälle und ihren laschen Umweltgesetzen. Recyclingrohstoffe sind Rohstoffe, die ohne Kinderarbeit und Ausbeutung gewonnen werden.
Egal wie oft man Metalle einem Schmelzprozess unterzieht, sie bleiben einfach immer dieselben Metalle ohne jegliche qualitative Einschränkungen. Selbst Materialien wie Papier und Kunststoff lassen sich effizient mehreren Recyclingprozessen unterziehen und bieten auf jeder Stufe ihres Lebenszyklus für definierte Produktgruppen das ideale, weil nachhaltige Ausgangsmaterial.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, das gilt auch für den Preis von Öl und anderen Rohstoffen. Steigende Bevölkerungszahlen machen Effizienzgewinne mehr als wett – der sogenannte Reboundeffekt. Wer auch morgen noch kostengünstig und nachhaltig produzieren will, muss sich in zunehmendem Umfang aus umweltfreundlichen, heimischen Quellen bedienen.
Mittelfristig hängt die Überlebensfähigkeit eines Industriestandorts von der Verfügbarkeit von bezahlbaren Rohstoffen ab, die möglichst ohne unnötige Umwelt- und Klimabelastung gefördert werden sollten. Dies gilt allemal für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland, das gleichzeitig höchste Umweltstandards bei der Produktion voraussetzt. Hier sind Recyclingrohstoffe die einzig veritable Quelle
für eine nachhaltigere Zukunft.
Eine sinnvolle Ökodesignrichtlinie sollte die Verwendung von nachhaltigen Rohstoffen zur Bedingung machen. Langfristiges Ziel muss es sein, dass die Industrie im Hinblick auf ihre eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen die zunehmende Verwendung von Recyclingrohstoffen in ihren Produkten öffentlich und mit Stolz kommuniziert. Denn umweltbewusste Verbraucher werden wissen wollen, ob ihr Produkt sauber, nachhaltig und klimafreundlich produziert worden ist. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, gibt es nur ein Mittel: Recyclingrohstoffe!