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10. Februar 2019

Zukunftsstoff Kunststoff?

Nur wenn jeder seinen Beitrag leistet – Hersteller, Verbraucher, Industrie und Politik

Umdenken auf allen Ebenen

Die wachsende Menge und Diversität an Kunststoffprodukten und Abfällen und die damit verbundenen weltweiten Umweltprobleme erfordern ein Umdenken auf vielen Ebenen. Wenn wir auch im Kunststoffbereich die Kreisläufe schließen und das Material als wertvollen Rohstoff dauerhaft wiederverwerten wollen, sind konzertierte Ansätze erforderlich, die alle Teile der Gesellschaft mit einbinden. REMONDIS ist schon seit den 60er Jahren als treibende Kraft und Innovator im Bereich des thermoplastischen Kunststoffrecyclings aktiv. Doch Recyclingunternehmen alleine können das Problem nicht lösen. Ohne kluge und langfristig wegweisende Entscheidungen seitens der Politik, ohne aktive Mithilfe der Verbraucherinnen und Verbraucher, ohne Berücksichtigung der Rohstoffeffizienz beim Produktdesign und verbindliche Vorgaben bei der öffentlichen und industriellen Beschaffung wird es nicht gehen. Wie also machen wir aus Kunststoff einen Zukunftsstoff?

Tausendsassa Kunststoff

Aus Ingenieurssicht ist das umgangssprachlich unter dem Begriff „Plastik“ zusammengefasste Material an Vielseitigkeit nicht zu überbieten. Kunststoffe werden zu Formteilen, Fasern oder Folien und zu Halbzeugen weiterverarbeitet. Sie dienen als Verpackungsmaterialien, Textilfasern, Wärmedämmung, Rohre, Bodenbeläge, Lack, Klebstoff und Kosmetika, in der Elektrotechnik als Material für Isolierungen, Leiterplatten, Gehäuse, im Fahrzeugbau als Material für Reifen, Polsterungen, Armaturenbretter, Benzintanks und für unzählige weitere Anwendungen. Die moderne Welt mit knapp acht Milliarden Menschen wäre ohne die dank Kunststoffverpackungen längere Haltbarkeit und Lebensmittelsicherheit, eine kunststoffbasierte Gesundheitstechnik, Funktionsbekleidung und Mobilität überhaupt nicht denkbar. Ohne Leichtbauweise mittels Kunststoffen wäre der Fahrzeugbau niemals verbrauchsgünstig und CO2-sparend zu realisieren. Mit anderen Worten: Ohne Kunststoffe geht es nicht.

Herausforderung liegt in der konsequenten Kreislaufführung

Dass diese nicht in der Umwelt und letzten Endes im Meer landen, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Damit ist die erste große Herausforderung identifiziert: die konsequente und weltweite Kreislaufführung von allen Kunststoffen. Der mediale Fokus liegt derzeit stellvertretend vor allem auf den Plastikabfällen in den Meeren. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig haben herausgefunden, dass 90 Prozent der in den Ozeanen treibenden Plastikabfälle aus zehn Flusssystemen eingetragen werden, acht davon in Asien, zwei in Afrika. Aus Deutschland und Europa stammt hingegen nur ein Bruchteil der Materialien. Zu Unrecht wird oft auch das Verpackungsmaterial aus Deutschland verdächtigt. Die dualen Systeme in Deutschland haben 2017 ihre Verkaufsverpackungen aus dem gelben Sack und der gelben Tonne fast vollständig in Deutschland und im benachbarten Europa verarbeitet. Nach Angaben der Systembetreiber sind etwa 85 Prozent des gesammelten Abfalls in deutsche Sortier- und Recyclinganlagen gewandert, etwa 13 Prozent als Handelsgut zur Aufbereitung in europäische Nachbarländer.

Lediglich eine kleine Menge Leichtverpackungen (LVP) wurde als zertifiziertes Wirtschaftsgut nach den Regeln der Basler Konvention auch nach Asien verkauft – immer unter der Prämisse, dass es dort auch umweltgerecht verwertet wird. Mit dem neuen Verpackungsgesetz werden nun erstmals auch die stofflichen Recyclingquoten signifikant auf 63 Prozent erhöht. Dies ist eine extrem anspruchsvolle Herausforderung. REMONDIS hat vor diesem Hintergrund am 1. Januar 2019 in Erftstadt bei Köln eine der größten und leistungsfähigsten Sortieranlagen für Abfälle aus dem Dualen System eröffnet. Die Anlage kann bis zu 120.000 Tonnen Material in seine wertstofflichen Bestandteile sortieren. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die anspruchsvollen Quoten allein durch moderne Sortiertechnik erreicht werden können. Ohne ein Umdenken bei der Zusammensetzung der Verpackungen und die Stärkung der korrekten Sortierung in den Haushalten wird es nicht gehen.

Bei PET das Ziel schon fast erreicht

Recyceltes PET-Material hat es in seiner Reinform da einfacher. Der Stoff, aus dem vor allem Getränkeflaschen und Funktionsbekleidung hergestellt wird, ist ein stark nachgefragter Wertstoff. Im Jahr 2017 wurden laut GVM-Studie 93 Prozent aller PET-Flaschen recycelt. Im Pfand-Einweg-Segment liegt die Recyclingquote bei 97,3 Prozent. Die von der EU geforderte Quote von 90 Prozent für die getrennte Sammlung von Kunststoffflaschen erreicht Deutschland also heute schon. REMONDIS bildet auch hier mit modernsten Anlagen unter anderem im Hamburger Hafen die Speerspitze der Recyclingbemühungen. Alleine in Hamburg produziert REMONDIS Recycling jährlich rund 20.000 Tonnen PET-Flakes für die Herstellung hochwertiger Neuprodukte.

Weitere Investitionen in Anlagenbau, Forschung und Entwicklung sind notwendig, um Kunststoffe fit für die Recyclingzukunft zu machen. Dazu gehören auch die Bemühungen der chemischen Industrie, das chemische Recycling – also die Rückführung von Kunststoffen in ihre petrochemischen Ausgangsstoffe – endlich zur Marktreife zu bringen. Es bleibt abzuwarten, ob solche Verfahren irgendwann einen sinnvollen Beitrag leisten können. Zu oft wurde das sogenannte Chemrecycling angekündigt und dann doch nie im industriellen Maßstab umgesetzt. Derzeit scheitert es sogar noch an der Anerkennung als werkstoffliches Recycling. Die österreichische Chemieindustrie fordert aktuell, dass das chemische Recycling von Kunststoffen bei der Berechnung von Recyclingquoten berücksichtigt wird. Bisher gilt in der Alpenrepublik genau wie in Deutschland, dass chemisches Recycling nicht als stoffliche Verwertung anerkannt wird und daher nicht in die Quotenberechnung einfließen kann. Das bringt uns zum nächsten wichtigen Punkt, nämlich zur Politik.

Quoten für Rezyklateinsatz und umweltfreundliche Beschaffung

Ohne Abnehmer lohnt sich die Produktion von Recyclingrohstoffen nicht. Zwar werden in Deutschland heute schon 14 Prozent des Rohstoffbedarfs der Industrie aus dem Recycling gedeckt, 86 Prozent aber leider eben noch nicht. Um auch die Abnehmerquote zu verbessern, braucht es zum einen Produkte, die sich vollumfänglich recyceln lassen. Dieses Ziel erreichen wir nur mit einer Ökodesign-Richtlinie auf EU-Ebene, welche die Rohstoffeffizienz mit einbezieht und die produzierende Industrie dazu veranlasst, ihre Produkte – vom Smartphone über die Verkaufsverpackung bis zum Auto und Gebäude – von Anfang an so zu gestalten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus möglichst zu 100 Prozent recycelt werden können. Zum anderen wäre es wünschenswert, wenn auch bei der industriellen Beschaffung zuerst gezielt nach Recyclingrohstoffen verlangt werden würde, bevor man sich der sogenannten und meistens umweltschädlicheren Primärrohstoffe bedient. Ob dafür eine verbindliche Quote verfügt werden sollte, bleibt eine Entscheidung der Politik, die aus Sicht der Recyclingindustrie wenigstens in Erwägung gezogen werden sollte.

Nachfragemacht der öffentlichen Hand

Doch nicht nur die Industrie ist gefordert. Auch der Einfluss der öffentlichen Hand auf den ökologischen Umbau der Wirtschaft ist erheblich. Das Investitionsvolumen der öffentlichen Hand beläuft sich auf rund 300 Milliarden Euro pro Jahr – es erstreckt sich von Bleistiften bis hin zu Bussen für den öffentlichen Personennahverkehr. Diese erhebliche Nachfragemacht ließe sich bewusst nutzen, um Umweltbelastungen auch und gerade durch die bevorzugte Verwendung rohstoffeffizienter Produkte zu reduzieren, das Angebot umweltfreundlicher Produkte und Dienstleistungen zu verbessern oder die Markteinführung innovativer umweltfreundlicher Produkte gezielt zu unterstützen. Wie wichtig das neudeutsch auch Green Public Procurement genannte ökologisch orientierte Beschaffungswesen ist, schreibt auch das Umweltministerium auf seiner Website: „Wenn die öffentliche Hand Umweltschutz bei ihrem Einkauf ernst nimmt, setzt sie umweltpolitische Ziele glaubwürdig um. Das kann Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher ermutigen, ebenfalls auf umweltfreundliche Alternativen umzusteigen.“

Rohstoffeffizienz als belegbares Kriterium beim Produktdesign: Zu wie viel Prozent besteht mein Produkt aus Recyclingrohstoffen, zu wie viel Prozent kann es später stofflich recycelt werden?

An gut gemeinten Absichtserklärungen mangelt es sicher nicht. Bei der Umsetzung hapert es aber noch. So gibt es bis heute kaum ein Portal, welches die für die Beschaffung verantwortlichen Kräfte prioritär auf rohstoffeffiziente und umweltfreundliche Produkte hinweist. Dabei hat das Bundeskabinett am 7. November 2018 die aktualisierte Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen. Unter anderem soll mehr Nachhaltigkeit in die öffentliche Beschaffung einziehen. Doch bislang beschränkt sich das Vorhaben auf die Verwendung von Recyclingpapier und auf den CO2-Ausstoß der Dienstwagenflotte. Was uns zum letzten Punkt bringt, zum Klimaschutz.

„Wenn neue Produkte einen festgelegten Mindestanteil an Recyclingrohstoffen haben, schaffen wir so einen Markt für Rezyklate.“

Herwart Wilms, REMONDIS-Geschäftsführer und BDE-Vizepräsident

Recycling ist der beste Klimaschutz

Die Logik ist bestechend einfach: Jedes Kilogramm Recyclingrohstoff, das aus dem Abfall zurückgewonnen wird, spart ein Vielfaches an sogenanntem Primärrohstoff, Landschaftsverbrauch, Energie und CO2-Ausstoß. Laut DSD – Duales System Holding sparen allein die dualen Systeme jährlich rund 3,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente hauptsächlich durch Kunststoffrecycling ein. Bei der 24. Weltklimakonferenz im polnischen Kattowitz forderte der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. konsequenterweise ein europaweites Deponierungsverbot, mehr nachhaltige Beschaffung sowie den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit. Wenn die Europäische Union bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein wolle, müsse das europaweite Deponierungsverbot schnellstens auf den Weg gebracht werden. Darüber hinaus kommt der öffentlichen Hand in Bund, Ländern und Gemeinden schon beim Materialeinkauf eine Schlüsselrolle zu. Hier sollten Behörden und Verwaltungen die Kriterien einer umweltfreundlichen Beschaffung (Green Public Procurement) stärker in den Fokus nehmen und die bereits bestehenden Regelungen erweitern und in die Tat umsetzen.

REMONDIS macht’s vor

Der BDE sprach sich außerdem dafür aus, dass die Bundesregierung sachgerechte Rahmenbedingungen für das Recycling schafft. Herwart Wilms, REMONDIS-Geschäftsführer und BDE-Vizepräsident, verlieh der Forderung nach einer Minimal-Content-Regelung Nachdruck: „Wenn neue Produkte einen festgelegten Mindestanteil an Recyclingrohstoffen haben, schaffen wir so einen Markt für Rezyklate.“ Diesen Markt für eine nachhaltige, klimaneutrale Rohstoffwirtschaft durch Recycling bedient REMONDIS seit vielen Jahrzehnten und führt heute bereits rund 30 Millionen Tonnen Recyclingrohstoffe pro Jahr im Kreislauf.

Bildnachweise: Bild 1: Adobe Stock: fovito; Bild 2, 3: Adobe Stock: sebra

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