Artikel versenden
Bitte füllen Sie alle Felder mit * aus und klicken Sie anschließend auf "Formular absenden".
Seit November wird die auf Altpapierrecycling und -vermarktung spezialisierte Gesellschaft REMONDIS Trade and Sales von einem neuen Gesicht geführt. Frederik Jastrembski (32) übernahm als neuer Geschäftsführer die Verantwortung für ein sehr sensibles, aber auch spannendes Geschäft, wie er im Interview erzählt.
Frederik Jastrembski: In diesem Fall kann man schon von Sturmböen reden, die selbst ich als Hamburger nicht gewohnt bin. Seit meinem Start im November letzten Jahres habe ich erst einen steilen Absturz der Preise erlebt, sodass wir beim Altpapier teils sogar in den Zuzahlungsbereich kamen. Die Coronakrise und damit verbundene Shutdowns in ganz Europa haben quasi über Nacht zu einer Verknappung geführt. Seitdem sind die Preise wieder innerhalb weniger Tage zum Teil weit über das Niveau des letzten Jahres geklettert.
Frederik Jastrembski: Grundsätzlich haben wir in Europa ein Überangebot von geschätzten acht Millionen Tonnen Altpapier im Jahr, womit die gut aufgestellte Papierindustrie in Deutschland eigentlich gut zurechtkam. Da aber Länder wie China immer weniger Abfälle, also auch Altpapier, abnehmen, flossen die Mengen aus anderen europäischen Ländern verstärkt nach Deutschland. Anfang des Jahres führte das schließlich zu Situationen, in denen Altpapier eingelagert werden musste, weil es keine Kapazitäten mehr in den Papierfabriken gab.
Frederik Jastrembski: Ja, die Corona-Maßnahmen haben die Situation sprunghaft verändert. Relativ früh blieben die Mengen aus dem Ausland aus und dann kamen die Einbrüche in Deutschland. Die Automobilbranche machte dicht, die Möbelhäuser, der Einzelhandel. Das sind große Mengen Altpapier, die dem Markt fehlen. Das führte zu berechtigten Sorgen der Papierindustrie, ob die Mengen ausreichen, um ihre Fabriken nachhaltig zu befüllen.
Frederik Jastrembski, Geschäftsführer REMONDIS Trade & Sales
Frederik Jastrembski: Wenn man den Kreislauf weiterdenkt, sieht man, was ein Stillstand der Papierindustrie bedeuten würde. Nicht nur das zurzeit begehrte Toilettenpapier, auch ein Großteil der Verpackungen der Lebensmittelindustrie sind vom Altpapier abhängig. Wir hätten dann zwar Lebensmittel verfügbar, die aber nicht mehr verpackt werden könnten. Unsere Sammlung und Bereitstellung von Altpapier ist somit auch ganz praktisch gesehen systemrelevant.
Frederik Jastrembski: Von stabil kann nicht die Rede sein. Zurzeit gibt es viele unsichere Faktoren. Die Entwicklungen in dieser Zeit kann niemand voraussehen. Die Haushaltsmengen sind glücklicherweise konstant geblieben, die gewerblichen Mengen hingegen sind stark eingebrochen. Kurz- und mittelfristig werden die Art und Schnelligkeit der Lockerungen der Corona-Maßnahmen großen Einfluss auf Angebot und Nachfrage haben. Es ist derzeit nicht auszuschließen, dass die künstliche Verknappung der Mengen sich schlagartig wieder aufhebt und die Preise wieder stark fallen. Dann würden wir innerhalb kürzester Zeit das dritte Mal eine extreme Preisentwicklung erleben.
Frederik Jastrembski: Wahrscheinlich auf das, worauf es für alle im Moment ankommt: Sicherheit. Für uns bedeutet das, dass wir die Lieferungen der noch verfügbaren Mengen weiterhin sicherstellen. Daher dürfen die Kommunen in dieser Zeit auf keinen Fall leichtsinnig die Abfallsammlung für Altpapier einstellen, wie es beispielsweise in Würzburg erst angekündigt wurde. Zudem ist eine gewisse Planungssicherheit hinsichtlich der Corona-Maßnahmen durch Bund und Länder sehr wichtig für uns. Umso schneller können wir und die Papierindustrie uns darauf einstellen.
Frederik Jastrembski: Grundsätzlich ist es wichtig, wieder mehr Stabilität in den Markt zu bekommen. Eine Situation wie Anfang des Jahres, in der die gesamte Logik des Marktes teils durch Zuzahlungspreise für Altpapier auf den Kopf gestellt wurde, gilt es zu vermeiden. Wir haben die Aufgabe der Industrie verlässlich und qualitativ hochwertige Rohstoffe zu liefern. Neben modernen Sortiersystemen ist es wichtig, dass Abfälle daher vor allem richtig getrennt werden. Hier müssen auch die Kommunen deutlich mehr Verantwortung für Qualität übernehmen und sicherstellen, dass die richtigen Materialien in der blauen Tonne landen. Auch wenn die umweltpolitischen Themen derzeit verdrängt werden, spielen CO2-Emissionen und Ressourcenschutz weiterhin eine große Rolle. Es ist auch unsere Aufgabe, dass wir das aktuelle Umdenken nutzen, um enger mit Politik, Industrie und den Verbrauchern zusammenzurücken, und Lösungen finden, die langfristig der Umwelt und der Wirtschaft gerecht werden können.