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Als der deutsche Apotheker und Alchemist Henning Brand im Jahr 1669 auf der Suche nach dem Stein der Weisen Urin bis zur Trocknung eindampfte, entdeckte er eine Substanz, die im Dunkeln leuchtete. Er nannte sie deshalb „Phosphorus“, nach dem griechischen Begriff für „Licht tragend“. Brand hatte damit unwissentlich einen der elementaren Bausteine allen pflanzlichen und organischen Lebens auf der Erde entdeckt. Phosphorverbindungen sind wesentlicher Bestandteil der DNA, der Trägersubstanz der Erbinformationen. Auch für das Wachstum und den Energiestoffwechsel spielt Phosphor eine entscheidende Rolle. Mit anderen Worten: ohne Phosphor kein Leben. REMONDIS Aqua hat gemeinsam mit HAMBURG WASSER eine Pilotanlage in Betrieb genommen, die den kostbaren Stoff aus Klärschlammasche zurückgewinnen kann.
Die schlechte Nachricht zuerst: Der Lebensstoff wird knapp. Zwar besteht die Erdkruste zu etwa 0,09 Prozent aus Phosphorverbindungen, technisch und wirtschaftlich abbaubar ist davon jedoch nur ein Bruchteil. Phosphor kommt in der Natur fast ausschließlich in gebundener Form vor, als Phosphat aber zum Beispiel auch im Klärschlamm. Seit vielen Jahren nutzen daher Landwirte den Klärschlamm, um das Pflanzenwachstum zu fördern. Damit soll es nach dem Willen der Bundesregierung bald vorbei sein, denn neben dem wertvollen Stoff geraten über den Klärschlamm leider auch viele Störstoffe wie Schwermetalle in den Boden. Guter Dünger ist zunehmend gefragt, doch zur Herstellung phosphathaltiger Dünger und hochwertiger Futtermittel, ohne die es keine Landwirtschaft gäbe, dient Phosphorsäure als Ausgangsstoff. Wissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten seit Jahren an wirtschaftlichen Verfahren zum Phosphorrecycling, denn Phosphor und seine Verbindungen, deren natürliche Ressourcen zur Neige gehen, sind von herausragender Bedeutung für das Leben auf der Erde. Alleine in Europa liegt der Bedarf an Phosphorsäure bei weit über eine Million Tonnen pro Jahr.
Phosphor ist elementarer Lebensbaustein – und er wird immer knapper.
Nun die gute Nachricht: REMONDIS Aqua hat ein Verfahren entwickelt, das Phosphor als vollwertigen Sekundärrohstoff den etablierten Wertschöpfungsketten andient, und schließt so den Kreislauf des Lebensstoffs Phosphor. Dies geschieht, indem Phosphorsäure aus der Asche von verbranntem Klärschlamm in reiner Form zurückgewonnen wird.
Das neue Verfahren zur Rückgewinnung von Phosphaten ist von Chemikern in Forschungslaboren entwickelt worden und wird nun in Zusammenarbeit zwischen HAMBURG WASSER und REMONDIS in einer Pilotanlage in unmittelbarer Nähe der VERA Klärschlammverbrennung unter idealen Bedingungen bis zur Betriebsreife optimiert. Die VERA ist eine öffentlich-private-Partnerschaft zwischen der HAMBURG WASSER (60 Prozent), und Remondis (40 Prozent) die seit vielen Jahren erfolgreich im Bereich der Klärschlammverbrennung zusammenarbeiten. Klärschlamm aus Hamburg und umliegenden Kläranlagen wird thermisch verwertet und so zur Energieerzeugung genutzt. Die übrig bleibende Klärschlammasche dient nun als wertvoller Rohstoff für das Phosphorrecycling.
In den kommenden Monaten wird nun getestet, in welcher Konfiguration die Anlage optimal funktioniert. „Sollte alles nach Plan laufen, könnten REMONDIS und HAMBURG WASSER gemeinsam eine großtechnische Anlage bauen, in der sich mehrere tausend Tonnen Phosphorsäure pro Jahr gewinnen lassen“, sagte Dr. Martin Lebek anlässlich der Eröffnung der Pilotanlage im Juli 2015. Dass Wirtschaftlichkeit und Umweltgewinn hierbei Hand in Hand gehen, freut auch Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan: „Ich bin froh darüber, dass dieses Verfahren in Hamburg jetzt im Pilotmaßstab untersucht wird. Das Phosphorrecycling nützt der Umwelt – und es ist ein gutes Geschäft.“
V. l. n. r.: Michael Beckereit, Geschäftsführer HAMBURG WASSER, Jens Kerstan, Umweltsenator Hamburg, und Dr. Martin Lebek, Projektleiter und Geschäftsführung REMONDIS Aqua, zeigen anlässlich der Eröffnung der Pilotanlage die Ausgangsstoffe des Verfahrens zum Recycling von Phosphorsäure
Die durch das Verfahren gewonnene RePacid®-Phosphorsäure ist frei von Schwermetallen und somit prädestiniert zur Herstellung von Futtermitteln und reinen Düngemitteln. Durch das Verfahren wird nicht nur Phosphorsäure aus Asche gewonnen, sondern auch Gips für die Baustoffindustrie so wie Eisen- und Aluminiumsalze, die als Fällungsmittel zur Abwasserreinigung und Phosphorelimination in Kläranlagen recycelt werden. Das REMONDIS-TetraPhos®-Verfahren ist damit von herausragender ökologischer Effizienz und Wirtschaftlichkeit und trägt im mehrfachen Sinne zur Schonung der natürlichen Ressourcen bei. Es schließt Stoffkreisläufe, schont Gewässer und Ackerflächen und macht Europa langfristig unabhängiger von Phosphat-Importen.
Der geistige Vater des Verfahrens ist Josef Lehmkuhl. Als Forschungs-
und Entwicklungsleiter des REMONDIS-Lippewerks und langjähriger Berater über seine Pensionierung hinaus hatte sich Josef Lehmkuhl besonders im Bereich der Aluminiumchemie und des Phosphorrecyclings einen Namen gemacht. Es ist vor allem seiner Initiative und seinem Forschergeist zu verdanken, dass aus der Idee ein zukunftsträchtiges und wirtschaftliches Verfahren wurde. Leider verstarb Josef Lehmkuhl am 4. April 2015 plötzlich und unerwartet. Die Anlage, die den Nachweis erbringen wird, dass sich Phosphorsäure in einem industriellen Maßstab wirtschaftlich aus Klärschlammasche gewinnen lässt, wird nun von seinem Kollegen und Mitentwickler Dr. Martin Lebek von REMONDIS Aqua weitergeführt.
Josef Lehmkuhl