Insoweit bedarf es auch aus unserer Sicht erheblicher Anstrengungen, um zu deutlich ambitionierteren ökologischen Zielen insbesondere durch Erhöhung der Recyclingmengen und -qualitäten unter Erweiterung der Produktverantwortung zu kommen. Hierzu benötigen wir ein Wertstoffgesetz, das neben anspruchsvollen Vorgaben für die Verwertung der häuslichen Siedlungsabfälle in einem späteren Schritt auch die Umsetzung der Produktverantwortung für den Bereich der gewerblichen Abfälle in den Blick nimmt.
Auch Ihrer Aussage, dass in der sozialen Marktwirtschaft als Wettbewerbsgesellschaft Dienstleistungen regelmäßig am Markt ausgeschrieben werden und dem Wettbewerb unterliegen müssen, können wir im Wesentlichen beipflichten. Vor diesem Hintergrund wurde von dem durch einige Länder ursprünglich verfolgten umfassenden Ansatz einer Organisationsverantwortung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Sammlung, Sortierung und Verwertung der Abfälle aus Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen Abstand genommen. Nunmehr hat sich der Bundesrat mit großer Mehrheit für ein Kompromissmodell ausgesprochen, das den Kommunen lediglich die Zuständigkeit für die Organisation der Sammlung der Abfälle aus Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen (einschließlich der getrennt zu sammelnden Glasverpackungen) zuweist, die Verantwortung für die anschließende Sortierung und Verwertung jedoch den Produktverantwortlichen und damit uneingeschränkt dem Wettbewerb überlässt.
Hervorzuheben ist, dass auch die Erfassung der Wertstoffe von den Kommunen grundsätzlich nach den Vorgaben des Vergaberechts öffentlich ausgeschrieben werden soll. Abweichend hiervon muss den Kommunen jedoch die Möglichkeit belassen bleiben, die Erfassung selbst im Wege einer lnhousevergabe durchzuführen. Die Kommune hat damit die Organisationshoheit und kann z. B. über ein Hol- oder Bringsystem entscheiden oder über die Service-Tiefe für ihre Bürgerinnen und Bürger. Für die Erfassung von LVP und Glas ist eine sogenannte Standard-Kosten-Vergütung vorgesehen, durch die pauschal alle Kosten (z. B. auch bisherige Nebenentgelte) abgegolten werden sollen, wobei die Höhe der Standardkosten aus den Ergebnissen früherer Ausschreibungen für die Erfassung transparent hergeleitet werden könnte. Damit wäre eine Pauschalierung, aber auch eine Deckelung der Erfassungskosten möglich. Überproportionale Kostensteigerungen wären hierdurch ausgeschlossen. Aufwändige und im Ergebnis ja auch durchaus kostenintensive Abstimmungsvereinbarungen, wie wir sie jetzt aus dem PPK-Bereich kennen, wären damit entbehrlich, was zu einer wesentlichen Verwaltungsvereinfachung führen würde.
Die Befürchtung der privaten Entsorgungswirtschaft, dass die Kommunen die Erfassung der Wertstoffe nicht ausschreiben und damit nicht den Wettbewerb für die privaten Sammler eröffnen, sondern (womöglich zunehmend) das operative Geschäft (wieder) selbst in die Hand nehmen und der Wettbewerb insoweit ausgeschlossen wird, ist sicherlich nicht völlig von der Hand zu weisen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass gegenwärtig die Erfassungsleistungen bundesweit überwiegend ausgeschrieben werden. Hieran dürfte sich im Wesentlichen auch nichts ändern, zumal es die private Entsorgungswirtschaft mit marktgerechten und wettbewerbsfähigen Angeboten ein gutes Stück weit selbst in der Hand hätte, Rekommunalisierungstendenzen entgegenzuwirken.
Auf der anderen Seite erscheint es schwer vermittelbar, dass eine Kommune, die über einen Eigenbetrieb ohne eigene Rechtspersönlichkeit verfügt, vergaberechtlich daran gehindert sein soll, sich um einen von ihr selbst zu vergebenden Auftrag bewerben zu dürfen, bzw. in der Konsequenz ggf. gehalten wäre, diesen eigenen Entsorgungsbetrieb in eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit umzuwandeln und auszugliedern, um in einem Vergabeverfahren mitbieten zu können. Vor diesem Hintergrund möchten wir um Verständnis dafür werben, dass die Kommunen eine Beschneidung der kommunalen Daseinsvorsorge durch eine Ausschreibungspflicht insoweit nicht hinnehmen wollen, auch wenn es nur um eher geringe Mengen an Wertstoffen geht.
Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass der Verabschiedung eines Wertstoffgesetzes im Wesentlichen die strittige Frage entgegensteht, ob eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Kommunen künftig daran gehindert werden soll, Entsorgungsdienstleistungen im Rahmen einer lnhousevergabe zu beauftragen. Dies kann jedoch aus unserer Sicht kein unüberwindliches Hindernis sein. Demgegenüber – und da dürften Sie uns möglicherweise uneingeschränkt zustimmen – steht und fällt der Erfolg einer Wertstoffsammlung mit der Menge und der Qualität der Wertstoffe, wie sie von den Bürgerinnen und Bürgern gesammelt werden. Da hilft es nicht, einfach Recyclingquoten hochzusetzen. Zu dieser entscheidenden Frage schweigt sich das Bundesumweltministerium bisher aus, weil die dualen Systeme nicht die Möglichkeit haben, unmittelbar auf die Haushalte einzuwirken. Selbst die Hersteller räumen deshalb ein, dass dazu die Kommunen als „Gesicht für die Bürger“ unverzichtbar sind. Wenn den Kommunen aber eine solche Schlüsselrolle bei der Erfassung unstreitig zukommt, auch weil sie am Ende die notwendigen Sanktionsmöglichkeiten haben, liegt es nahe, ihnen auch die organisatorische Hoheit für die Erfassung zu übertragen. Das ist einer der entscheidenden Gründe, warum wir die kommunale Erfassungshoheit für unverzichtbar halten.
Es würde uns freuen, wenn wir mit unseren Ausführungen Ihr Verständnis für die Länderposition steigern könnten und dürfen Ihr Einverständnis voraussetzen, dieses Schreiben auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen zu dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Remmel