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Interview
Herr Mohring, Sie gelten als politischer Pragmatiker, der den konservativen Markenkern der CDU stärken möchte. Dazu gehören das Festhalten an der sozialen Marktwirtschaft und die Förderung des Mittelstands. Wie sehen Sie aus dieser Perspektive den aktuellen Trend zur Kommunalisierung?
Mike Mohring: Wenn Mittelständler aus den kommunalnahen Branchen durch eine Ausweitung der Staatswirtschaft unserer Gemeinden, Städte und Landkreise verdrängt werden, muss dies die Union mit Sorge erfüllen. Regional verwurzelte und engagierte Familienunternehmen auch dieser Branche gehören zu einer wettbewerbsoffenen Regionalwirtschaft. Am Ende zählt, ob wir unseren Bürgern Leistungen der Daseinsfürsorge zu angemessenen Preisen anbieten können.
Mike Mohring: Es gehört zum Gemeingut des linken politischen Spektrums, dass der Staat vermeintlich der bessere Unternehmer sei. Dass in den 90er Jahren durch mehr Wettbewerb Ineffizienzen und willkürlichen Belastungen der Bürger beseitigt werden konnten, verschweigen die Damen und Herren lieber. Stattdessen wird unter dem Schlagwort der Demokratisierung der Regionalwirtschaft und Daseinsvorsorge unsere Wirtschaftsordnung ausgehöhlt, die auf Schutz des Privateigentums und freier Berufswahl basiert. Unternehmerische Entscheidungen werden in den kommunalen Räten zu politischen Machtfragen stilisiert, der Subsidiaritätsgrundsatz kommunalwirtschaftlicher Betätigung wird entsorgt. Rot-Rot-Grün in Thüringen strebt das sogar vorsätzlich an. Dreh- und Angelpunkt der kommunalen Gebietsreform sind größere Kommunalunternehmen, von denen sich die Linkskoalition Effizienzgewinne erhofft.
Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU Thüringen und Vorsitzender der Konferenz der finanzpolitischen Sprecher aller Bundesländer
Mike Mohring: Als kommunal verankerte Partei haben wir mit dem neuen § 2b UStG auf Bundesebene ein wichtiges Ziel erreicht. Im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit können Beistandsleistungen der Kommunen von der Umsatzsteuer befreit werden. Dadurch wird ein politisches Konzept ermöglicht, das Kommunen Fusionen erspart, die eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit der staatlichen Kommunalunternehmen zur Folge haben. Dies vorausgeschickt, darf aber eine steuerliche Ungleichbehandlung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen mit Verdrängung mittelständischer Unternehmen führen. Dies ist mit der Gesetzesänderung weder beabsichtigt noch in Kauf genommen worden. Sollte sich das dennoch als nennenswertes und grundsätzlicheres Problem erweisen, müssen wir reagieren. Kurz: Es gilt, die Auswirkungen der neuen Rechtslage zu beobachten.
„Als kommunal verankerte Partei haben wir mit dem neuen § 2b UStG auf Bundesebene ein wichtiges Ziel erreicht.”
Auch durch Gründung kommunaler Zweckverbände werden Mittelständler in ihrer Existenz bedroht. Diese Entwicklung wird durch das Gemeindewirtschaftsrecht gefördert. Schneiden sich die Kommunen nicht alleine schon durch den Wegfall der Gewerbesteuer ins eigene Fleisch?
Mike Mohring: Da Sie aus der Perspektive der Kommunen fragen, will ich auch aus dieser Perspektive antworten: Am Ende wird sie abwägen, ob die Gewinne aus der Kommunalwirtschaft die Verluste aus dem Wegfall der Gewerbesteuer ausgleichen. Die ordnungspolitisch maßgeblichere Frage ist, ob mit Blick auf die Zinsvorteile der Kommunalfinanzierung und der kommunalen Haftungsübernahmen noch faire Wettbewerbsbedingungen gewährleistet sind. Der entscheidende Gesichtspunkt ist am Ende, ob oder wie die unbedingte Ausfallsicherheit kommunaler Forderungen auf Dauer zu halten sein wird. Diese Debatte werden wir irgendwann führen müssen, und das hat zwangsläufig Konsequenzen auf den Wettbewerb im Bereich der Daseinsvorsorge. So zeigt etwa die Insolvenz der Stadtwerke Gera, dass in mancher kommunalwirtschaftlichen Rechnung auch Unbekannte schlummern.
Mike Mohring: Schutzmechanismen zur Beachtung des Subsidiaritätsprinzips
der kommunalen Unternehmensaktivitäten gibt es ja. Die Kommunen und die Kommunalaufsicht müssen sich selbstkritisch fragen, ob sie mit der gebotenen Sorgfalt durchgesetzt werden. Es gibt Hinweise auf Verbesserungspotenzial. Die Bereiche, in denen das Subsidiaritätsprinzip nicht bindend ist, sollten immer wieder auf ihre Stichhaltigkeit geprüft werden. Denn Gemeindewirtschaftsgesetze, Kommunalordnungen oder Haushaltsordnungen setzen der kommunalen Expansion in den Ländern durchaus Grenzen. Auf Bundesebene sehe ich in zwei Punkten Diskussionsbedarf. Erstens: Die Kartellaufsicht wacht zwar über Preise, nicht aber über Gebühren. Neben den Gestaltungsmöglichkeiten im Umsatzsteuerrecht ist das eine zweite Stellschraube, die das Potenzial zu Wettbewerbsverzerrungen hat. Das Phänomen kennen wir unter dem Stichwort „Flucht in die Gebühren“. Zweitens: Ausschreibungsfreie Inhouse-Vergaben öffentlicher Unternehmen sperren mittelständische Wettbewerber aus. Das geht nicht allein zu Lasten dieser Anbieter, sondern im Zweifelsfall auch zu Lasten der Bürger. Denn ohne Wettbewerb werden sie nie erfahren, ob die öffentliche Leistung auch preiswerter erbracht werden könnte.